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Die befragten Hochschullehrenden, die Promovierenden und Habilitierenden beurteilten die wissenschaftliche Karriere einhellig als eine äußerst risikoreiche, unplanbare berufliche Phase. Neben allen Ähnlichkeiten gibt es aber auch Unterschiede: So treten einige Probleme bereits in der Promotionsphase zu Tage, während andere erst mit der Habilitation relevant werden. Die wesentlichen Differenzen und Übereinstimmungen werden im Folgenden skizziert.
1. Die Befragung der 37 Hochschullehrenden sowie der 12 Promovierenden ergab, dass die Promotionsstellen selten öffentlich ausgeschrieben wurden. Entscheidend für die Auswahl des wissenschaftlichen Nachwuchses war ein langer, persönlicher Kontakt.
2. Die Vergütung der Promovierenden entpuppte sich als äußerst unterschiedlich. Sie reichte von der Eigenfinanzierung bis zu einer vollen Stelle. Von den 12 Befragten waren nur zwei (eine Frau und ein Mann) für die Dauer ihrer Promotion durch ein universitäres Beschäftigungsverhältnis finanziell versorgt. Für die restlichen 10 war der gesamte Zeitraum der Promotion finanziell weitaus ungesicherter.
Von den befragten 37 Hochschullehrenden verfügten nur fünf über Promotionsstellen in Vollzeit, die überwiegend aus Drittmitteln finanziert wurden. In der Regel waren diese Stellen für zwei Jahre finanziell gesichert.
3. Die Vorannahme, wonach die Promovierenden vor allen Dingen eine Hochschulkarriere im Blick hatten, bestätigte sich nicht. Keiner der 12 Befragten beabsichtigte explizit eine Hochschulkarriere; nur eine Frau strebte die Wissenschaft als Berufsfeld an, allerdings im außeruniversitären Berufsfeld. Die übrigen Befragten beurteilten die universitäre Karriere als unattraktiv. Diese geringe Anziehungskraft dokumentierte sich ebenfalls in den Aussagen der 37 befragten Professorinnen und Professoren. 21 von ihnen vermuteten, dass die Motive zur Promotion vor allem in der Verbesserung der außeruniversitären Berufschancen begründet liegen. Außerdem ging aus ihren Antworten hervor, dass die Promotion an ihren Fachbereichen eher eine Ausnahme darstellt.
4. Die Einbindung in die „scientific community“ gilt in der Karriereforschung als ein zentraler Baustein für die wissenschaftliche Laufbahn. Bei den Befragten fand sie überwiegend ohne Unterstützung der Hochschullehrenden statt und blieb zumeist auf die eigene Statusgruppe beschränkt.
5. Die Betreuung der Doktorarbeit wurde von den Promovierenden als äußerst ungleich beschrieben. Zwei der 12 Befragten (eine Frau, ein Mann) berichteten von einer verlässlichen und kontinuierlichen Betreuung ihrer Arbeit. In den Fällen, wo Doktormutter oder Doktorvater die Betreuung der Promotion gar nicht oder nur sporadisch ausführten, wurde sie von den am Lehrstuhl beschäftigten wissenschaftlichen Kolleginnen bzw. Kollegen geleistet. Eine wichtige Rolle spielten auch die Mitarbeiterinnen aus der Verwaltung, insbesondere die Lehrstuhlsekretärinnen. Sie leisteten oftmals die psychosoziale Unterstützung der Promovierenden.
6. Das Geschlecht beurteilten die Befragten als bedeutungsvoll. 10 der 12 befragten Promovierenden charakterisierten die universitäre Wissenschaft als Männerdomäne. Diese Einschätzung teilten sie mit 28 der 37 befragten Hochschullehrenden. Die Hochschule ist ihrer Meinung nach eine Männerdomäne, weil a) Männer über eine wissenschaftliche Persönlichkeit verfügen und weil b) Männer sich nicht gegen die Karriere und für ein Kind entscheiden.
1. Der Einstieg in die zweite Phase der akademischen Laufbahn erfolgte mehrheitlich aufgrund einer persönlichen Aufforderung von Seiten der Professorinnen bzw. Professoren. Diese persönliche Aufforderung entsprang einer engen, bereits lange zuvor bestehenden Beziehung. Die Habilitationsstellen wurden selten öffentlich ausgeschrieben. Das Habilitationsvorhaben basierte nicht auf einer zielorientierten Karriereplanung.
2. Die so genannten Post-doc’s waren wie die Promovierenden dem akademischen Mittelbau zugeordnet. Ihre Arbeitsplätze waren überwiegend zeitlich befristet und äußerst unterschiedlich finanziell und zeitlich ausgestattet. 23 der 37 Befragten hatten eine befristete Vollzeitstelle mit unterschiedlichen Eingruppierungen (acht Frauen, 15 Männer). Vier der Befragten (zwei Frauen, zwei Männer) hatten keine universitäre Anstellung. Vier weitere Befragte (drei Frauen, ein Mann) verfügten über einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Ein großer Teil der Habilitierenden empfand die Diskrepanz zwischen dem geringen beruflichen Status und den enormen Leistungsanforderungen als sehr frustrierend.
3. Das Durchschnittsalter der Frauen lag bei 38, das der Männer bei 39 Jahren. Das Alter variierte zum Zeitpunkt der Befragung enorm: die Alterspanne der Frauen betrug 17 Jahre, die älteste wurde 1952 geboren, die jüngste 1969. Bei den Männern war die Alterspanne mit 23 Jahren noch größer, der älteste wurde 1949 geboren, der jüngste 1972.
4. Die Habilitierenden beschrieben ihre Situation einhellig als eine doppelte Abhängigkeit. Sie waren sowohl mit ihrer Habilitation als auch mit ihrer beruflichen Existenz auf Status, Prestige und „goodwill“ ihrer Vorgesetzten angewiesen. Nach Einschätzung der Befragten spielten die Qualität der eigenen akademischen Leistung und das eigene berufliche Engagement für das Gelingen dieser beruflichen Phase keine große Rolle. Die richtige Dosis an Loyalität zur/zum Vorgesetzten, d.h. die Bereitschaft, deutlich mehr Aufgaben als die vertraglich vereinbarten zu übernehmen, wurde hingegen als bedeutsames Instrument der Karriere beschrieben. Für die befragten Männer hieß dies statushöhere Aufgaben zu übernehmen wie die Akquisition und Organisation von Forschungsprojekten oder die informelle Lehrstuhlvertretung. Für die Frauen bedeutete Loyalität mit der/dem Vorgesetzten die Übernahme von statusniedrigeren Verwaltungsaufgaben.
5. Die meisten Befragten blieben auch in der Habilitationsphase von den fachlichen Netzwerken der akademischen Profession ausgeschlossen. Trotz ihrer bisherigen beruflichen Erfahrungen empfanden sie die internen Spielregeln der Wissenschaft als undurchsichtig. Einige Befragte kompensierten dies durch Netzwerkbildung in der eigenen Statusgruppe.
6. Einige Habilitierende (6) empfanden ihre berufliche Situation als außerordentlich privilegiert wegen der damit verbundenen Denk- und Forschungsfreiheit sowie der zeitlichen Souveränität bei der Arbeitsorganisation. Gleichwohl berichteten die Befragten von Freiheitsgrenzen: a) die Zeitsouveränität wurde durch einen hohen Arbeitseinsatz konterkariert, der auch negative Auswirkungen auf das Privatleben hatte; b) die Forschungsfreiheit wurde durch bürokratische Vorgaben gehemmt; c) die Denkfreiheit fand ihre Regulierungen in der wissenschaftlichen Konkurrenz und einer verstärkten Marktorientierung.
7. Die Wissenschaft ist auch aus Sicht der Habilitierenden eine Männerdomäne, weil a) Männer über die passende akademische Persönlichkeit verfügen, weil b) Frauen sich für Kind(er) und gegen Karriere entscheiden und weil c) etablierte Wissenschaftler Frauen nicht in ihre Reihen aufsteigen lassen.
8. Nach Einschätzung der Befragten ist eine akademische Laufbahn aufgrund ihrer großen Planungsunsicherheit und dem geforderten hohen persönlichen Einsatz im Prinzip unvereinbar mit Familie bzw. mit Kind(ern). Diese Auffassung galt allerdings weniger für Männer, sondern vielmehr für Frauen mit Habilitationsabsichten.
Die befragten zwölf Väter konnten mehrheitlich auf Partnerinnen zurückgreifen, die ihre wissenschaftliche Karriere außerordentlich unterstützten. Die Partnerinnen hielten ihnen in der Familie „den Rücken frei“ und sicherten außerdem mit ihrer Berufstätigkeit den Lebensunterhalt der Familie.
Die befragten fünf Mütter konnten nicht auf ein vergleichbares privates Unterstützungssystem zurückgreifen. Sie verfügten auch nicht über ein derartig leistungsfähiges institutionalisiertes Unterstützungssystem. Die Mütter berichteten einhellig über gravierende Mängel im institutionellen Kinderbetreuungssystem. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen führten diese Mängel in ihrem Leben eine organisatorische und/oder emotionale Krise herbei, weil sie die Vereinbarkeit von Karriere und Kind(er) enorm erschwerten. Von den im Kinderbetreuungssystem eingelagerten organisatorischen und emotionalen Krisen berichteten auch die beiden Väter, die vom Ideal des familienbefreiten Wissenschaftlers abgewichen waren.
9. Die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes wurde von den Habilitierenden kritisch eingeschätzt. Die Befragten hegten mehrheitlich Zweifel, ob sich die Abschaffung der Habilitation durchsetzen könnte. Von der Einführung der Juniorprofessur erwarteten sie keine grundsätzliche Verbesserung ihrer beruflichen Position. Der überwiegende Teil befürchtete, dass die persönliche Abhängigkeit durch eine vielköpfige Abhängigkeit ersetzt werde. Da bei der Juniorprofessur auch der positive Aspekt der persönlichen Abhängigkeit, das Protektorat entfallen ist, erwarteten die Habilitierenden zugleich eine Steigerung der Rivalität mit den etablierten Professorinnen und Professoren.
Projektleiterin:
Dr. Christel Hornstein
Projektmitarbeiterin:
Dipl.-Soz. Wiss. Susanne Achterberg
E-Mail:
gleichstellung[at]uni-wuppertal.de